KunstNatur
Ingolstadt, Museum für konkrete Kunst Skulpturengarten, Klenzepark,
Spielbälle: Künettegraben: „balls 2008“
Astkugel, Klenzepark: „FIREBALL 2009“
Carl Aigner
IM ANGESICHT DER NATUR
Seit vielen Jahren beschäftigt sich Wolfgang Richter mit seinen künstlerischen Interventionsprojekten intensiv mit Phänomenen der Natur. In zahlreichen Realisationen spürt er den Möglichkeiten einer Verschränkung von Natur, Kulturlandschaft wie etwa Parks und Stadtlandschaften nach, wobei die vier Grundelemente der Natur: Wasser, Feuer, Erde und Luft so etwas wie Leitfiguren seiner künstlerischen Reflexionen darstellen. In vielen seiner Arbeiten handelt es sich dabei um alltägliche Naturmaterialien, selten um synthetische Gegenstände; wichtig ist ihm, dass dabei fast alle verwendeten Objekte handwerklich von ihm selbst gefertigt werden (ein zusätzliches Statement des Verhältnisses von Kunst und Natur, gewissermaßen eine Authentifizierungsstrategie jenseits der kunstwissenschaftlichen Frage nach Original und Reproduktion).
Subtil, minimal, manchmal fast unsichtbar wie in der Arbeit „Weidenkarre“, bei der frisch geschnittene Weiden in geometrischer Anordnung in die Natur gesetzt werden, in anderen Fällen signalhaft und augenfällig wie etwa bei den stark rot leuchtenden „Spielbällen“, die verankert im Rhythmus des Wassers und der Spiegelung darin sich auf der Wasseroberfläche bewegen (das ist auch das Thema eines Videos), erfolgen artifizielle Zeichensetzungen, die gleichzeitig markierende und integrierende Wirkung erzeugen. In alle seinen Werken geht es um das Ineinander, das Verzahnen verschiedenster Natur- und Kunstelemente. Fast kultisch wirkt das Naturholzobjekt „Baumkugel“, dynamisch und statisch zugleich wird es dem Element Feuer in einer Verbrennung zugeführt und in Form einer Videoarbeit dokumentiert.
.Bei allen installativen Interventionen ist das Moment der Naturzeit konstitutiv: Jahres- und Tageszeiten sind dabei die Unendlichkeitsparameter von Natur und bestimmen seine Polyloge von Natur und Kunst nachdrücklich: Sie sind in vieler Hinsicht die „Materialien“, mit denen Richter künstlerisch arbeitet, seine Objekte letztendlich nur deren Realisatoren ihrer Sichtbarmachung! Mehrmals finden dabei Spiegel Verwendung wie bei den „Spiegelbäumen“, wo Astenden mit runden Spiegelflächen abgeschlossen werden. In diesen scheinbar so trivialen Alltagsgegenständen verdichtet sich in ihrer Verschmelzung mit dem Naturobjekt Baum eine ganze Palette an Intentionen und Fragen des Künstlers. In wieweit kann sich Natur in sich selbst spiegeln beziehungsweise ist das nicht ihr (molekulares) Grundprinzip schlechthin? Was sind die Erkenntniswerte der Natur für unsere humane Existenz? Wie eine humane Beziehung zur Natur (wieder-)finden? Im Spiegeleffekt (wie etwa auch beim „Weidenkarre“) wird gleichzeitig auch Unendlichkeit imaginiert: Der Blick in den Spiegel ist eine magische Zeitschnittfläche zwischen Vergangenem und Zukünftigem im Brennpunkt des Gegenwärtigen. Wesentlich ist auch, das Natur als transformatorische Spirale begriffen wird, als ein sich unaufhörlicher und unablässiger Prozess der Veränderung, Verwitterung, gerade auch in der „Sprache des verwendeten Materials“, so der Künstler selbst einmal.
Wolfgang Richter entfaltet mit und in seinem Interventionen und Naturinstallationen, die immer auf kulturell-kultisch-geometrischen Symbolen wie Kreis, Kugel, Karree oder Würfel basieren, behutsame Erzählungen über unsere Befindlichkeit zur und mit der Natur. Poetisch und einfühlsam werden konzeptuelle Entwürfe einer Begegnung von Natur und Mensch eröffnet. Das Moment der Zeit ist dabei wohl der eindringlichste und nachdrücklichste Faktor in seinen Arbeiten: Zeit als Monumentum der Natur und Zeit als Momentum menschlicher Existenz, als Unendlichkeit der Natur und als Endlichkeit menschlicher Existenz. Es ist die künstlerische Arbeit, die wie sonst nichts zwischen der Natur- und Menschenexistenz Dialoge zu eröffnen vermag. Wolfgang Richter macht das seit langem und mit besonderem Mut: nämlich mit Demut gegenüber der Zeitlichkeit menschlicher Existenz im Angesicht der Unendlichkeit von Natur. Und er findet damit zu einer einfachen, aber fundamentalen und unverrückbaren Wahrheit: Nicht die Natur benötigt den Menschen, sondern wir Menschen benötigen die Natur für unser Existieren.